In den Annalen des Fußballs prangt sein Name als ein Symbol der unerwarteten Triumphe und der Ironie des Schicksals: Salvatore Totò Schillaci, ein wahres Kind Palermos, dessen Reise zu einem der unvergesslichen Helden der Weltmeisterschaft 1990 die Fußballwelt in Staunen versetzte. Ein Palermitaner, der leider nie das Rosanero-Trikot trug, doch gleichzeitig seine Erfolge in die sizilianische Hauptstadt brachte.
Am 1. Dezember 1964 erleuchtete ein Stern hell über Palermo. In jener Nacht, die sich wie jede andere anfühlte, schien das Universum dennoch eine Ahnung von dem Besonderen zu vermitteln, das sich in dieser Stadt ereignen sollte. Doch es dauerte bis zum Sommer 1990, während der Fußball-WM, um zu erkennen, welch außergewöhnliches Ereignis diesem himmlischen Zeichen folgen würde. In jenem Turnier sollte ein Mann namens Salvatore Totò Schillaci seine eigene Art von Wundern vollbringen – in Form von Toren. Doch der Reihe nach.
Geboren und aufgewachsen im Stadtviertel San Giovanni Apostolo, begann er seine Karriere in den Jugendmannschaften von einem unbedeutenden lokalen Team namens AMAT Palermo. Die Straßen von San Giovanni Apostolo waren seine Schule, und die Hindernisse, die ihm dort begegneten, formten seinen Charakter. Schillaci lernte früh, sich durchzusetzen und für das zu kämpfen, was er wollte. Die Härte des Lebens in diesem Viertel stählte seinen Willen und lehrte ihn die Bedeutung von Entschlossenheit und Durchhaltevermögen. Inmitten dieser schwierigen Bedingungen wuchs er auf, ständig umgeben von der Realität des palermitanischen Lebens: heruntergekommene Gebäude und die ständige Präsenz von Armut und Kriminalität. Doch anstatt sich von diesen Herausforderungen entmutigen zu lassen, fand er in ihnen einen Ansporn, sich durchzusetzen. Durch seine herausragenden Fußballerqualitäten erregte er schnell die Aufmerksamkeit des wichtigsten Vereins der Stadt, des FC Palermo.
Schillaci erinnerte sich an die Versuche des Rosanero-Vorstandes, sowohl ihn als auch seinen Teamkollegen zu verpflichten: „Der Verein bot für uns beide 28 Mio. Lire an (Anm. d. Red. umgerechnet ca. 14.000 Euro). Aber die Verantwortlichen von AMAT wussten, dass bei diesen Verhandlungen mehr rauszuholen war und zockten, indem sie 35 Mio. Lire verlangten. So gingen wir nur wegen 7 Mio. Lire nicht zum FC Palermo.“ Für lächerliche 3.500 Euro nahmen die Rosanero ihren Sohn nicht unter Vertrag, was sich als Fehler herausstellen sollte.
Schillaci wechselte somit 1982 zum Rivalen nach Messina in die Serie C2, was damals vergleichbar mit der heutigen Regionalliga war. Seine Tore garantierten den Durchmarsch bis in die zweithöchste italienische Liga.
1987 musste er sich zwei Meniskusoperationen unterziehen, die seine Saisonleistung beeinträchtigten. Dennoch setzte sein Trainer Franco Scoglio weiterhin auf ihn und sollte Recht behalten. Mister Scoglio sagte einst über ihn: „Er hatte eine Lust am Tore schießen, die ich bei niemand anderem gesehen habe.“
Auch Totò erinnert sich gerne an seine gute Beziehung zum Trainer zurück: „Er sagte mir immer: Tue, was du willst, und spiele, wie du dich fühlst. Das hat mich unglaublich motiviert, gerade wegen dieser Freiheit, die er mir auf dem Spielfeld gab. Ich habe viel von ihm gelernt und werde ihm nie genug danken können. Mit ihm und meinen damaligen Mitspielern haben wir den Messinesern fantastische Jahre beschert.“
Seine beeindruckenden Leistungen blieben bei den Topklubs nicht unbemerkt. Und so ließen die Heiligen drei Könige des damaligen italienischen Fußballs, Berlusconi vom AC Mailand, Pellegrini von Inter Mailand und Angelli von Juventus Turin nicht lange auf sich warten, um nach Messina zu pilgern, und ihn mit königlichen Geschenken zu überhäufen, sollte er sich entscheiden zu ihnen zu wechseln.
1989 sicherte sich schließlich Juventus Turin für umgerechnet ca. 3 Mio. Euro die Dienste von Totò-Gol, wie er seit her genannt wurde. Bei der Alten Dame ergatterte er sich im gleichen Jahr einen Stammplatz und krönte die Saison mit dem Gewinn des italienischen Pokals und des UEFA-Pokals.
Seine ausgezeichnete Saison überzeugte den italienischen Nationaltrainer Azeglio Vicini, ihn für die folgende Fußball-WM 1990 einzuberufen, die gerade in Italien stattfand. Bei diesem Turnier ließ Palermo seinen Stern am hellsten leuchten. Als Teil der italienischen Nationalmannschaft führte er sein Land zu einem bemerkenswerten dritten Platz und eroberte dabei die Herzen der Fans auf der ganzen Welt. Seine herausragenden Leistungen brachten ihm den Titel des Torschützenkönigs und des besten Spielers des Turniers ein. Der Palermitaner wurde zum Symbol der italienischen Hoffnung und Leidenschaft auf dem Platz.
Ein denkwürdiger Moment, der eng mit Schillacis Legende verbunden ist, ist das Lied Notti Magiche, interpretiert von Gianna Nannini und Edoardo Bennato. Der Song, der von Träumen und der Leidenschaft handelt, wurde zu einer Hymne für Italien. Das Video dazu findet ihr hier.
Beflügelt von den Worten dieses Liedes, trat Schillaci auf den Rasen, bereit, die Welt mit seinem sizilianischen Temperament zu erobern. Seine Erscheinung auf dem Spielfeld war ebenso bemerkenswert wie sein Spielstil. Mit seiner athletischen Statur verkörperte Salvatore Schillaci während der Weltmeisterschaft eine beeindruckende Fusion von Fußballtalent und Torinstinkt. Seine physische Präsenz (1,73 m und 70 kg) verlieh ihm eine Aura der Unverwundbarkeit, während er sich durch die Reihen der Verteidigung kämpfte. Mit einer Kombination aus Schnelligkeit, Geschicklichkeit und Instinkt erwies er sich als wahrer Torjäger, der es verstand, jeden noch so kleinen Raum auszunutzen, um zum Abschluss zu kommen.
Schillaci’s markanter Gesichtsausdruck allein verriet bereits einen Teil seiner Qualitäten als Stürmer. Sein durchdringender Blick strahl Entschlossenheit aus. Der Geist, welcher in den Gassen von Palermo geformt wurde, verlieh ihm die nötige Kraft, um sich gegen Verteidiger durchzusetzen, während sein fokussierter Blick und seine geschmeidige Bewegungsführung seine Entschlossenheit und Agilität auf dem Platz unterstrichen.
In einem Turnier, das von außergewöhnlichen Talenten gespickt war, ragte Schillaci heraus und hinterließ einen unauslöschlichen Eindruck in der Geschichte des Fußballs. Inmitten einer brillanten Versammlung von Legenden wie Van Basten, Careca, Romário, Maradona und Lineker hob sich sein Name deutlich hervor. Es war der Sohn Palermos, der sich als der strahlendste Stern am Himmel des Turniers erwies.
Schillaci erinnerte sich an sein Abenteuer bei diesem Weltturnier: „Nicht einmal ein Verrückter hätte sich vorstellen können, was mir passieren würde. Es gibt Zeiten im Leben eines Fußballspielers, in denen dir alles gelingt. Du atmest nur und schießt. Für mich fiel dieser Gnadenmoment mit dieser Weltmeisterschaft zusammen. Das bedeutet, dass jemand von oben entschieden hat, dass Totò Schillaci der Held von Italia ’90 werden sollte. Es ist schade, dass wir das Finale nicht erreicht hatten und uns mit dem dritten Platz zufriedengeben mussten. Wir haben in dieser Weltmeisterschaft nur ein Tor gegen Argentinien kassiert, und dieses Tor hat uns verurteilt.“
Am Ende des Turniers gewann er den Goldenen Ball als bester Spieler des Turniers und mit 6 Toren den Goldenen Schuh als Torschützenkönig. Im folgenden Video könnt ihr seine Treffer noch einmal in voller Pracht bewundern.
Im gleichen Jahr belegte er den zweiten Platz in der Wertung des Ballon d’Or, hinter Lothar Matthäus. Damit katapultierte sich Schillaci endgültig in den ewigen Fußball-Olymp.
Nach dem Weltturnier spielte Schillaci zwei weitere Spielzeiten für die Bianconeri, fand aber oft nicht mehr das Tor.
Am 11. November 1990, nach dem Spiel Bologna gegen Juventus, löste Schillaci einen Skandal aus, indem er seinen Gegenspieler mit den Worten bedrohte: „Ich lasse dich erschießen.“
Man kann den Menschen aus einem Ghetto holen, nicht jedoch das Ghetto aus einem Menschen. Und so sprach das Ghetto aus ihm. Schillaci kommentierte seine Reaktion später folgendermaßen: „Ich hätte bis zehn zählen sollen. Aber er hatte mich angespuckt, und ich habe die Kontrolle verloren. Ich habe einen Fehler gemacht, aber seit diesem Zeitpunkt wurde ich behandelt, als wäre ich ein Mörder.“
Erschwerend hinzu kam der Streit mit seinem damaligen Sturmpartner und Superstar Roberto Baggio. So erinnerte sich Schillaci an diese Zeit zurück: „Bei Juventus und in der Nationalmannschaft sind wir Freunde geworden. Wir teilten uns dasselbe Zimmer, er sprach wenig, ich gar nicht. Und doch haben wir uns einmal geprügelt: Wir waren in der Umkleidekabine von Juventus. Roberto hat mit mir gescherzt, aber er übertrieb es. Ich habe ihn geschlagen und es sofort bereut. Zum Glück versöhnten wir uns einige Zeit später wieder.“
Am Ende der Saison 1991/92 fand Schillaci immer weniger Platz im Team, bis er beschloss, den Turiner Verein zu verlassen.
In der Saison 1992/93 wechselte er für umgerechnet ca. 4,2 Mio. Euro zu Inter Mailand, wo er insgesamt zwei Spielzeiten spielte und in 30 Spielen 11 Tore erzielte. Aber der Mangel an Kontinuität und körperliche Probleme hinderten ihn daran, an seine früheren Leistungen anzuknüpfen.
Im April 1994, während die Saison noch im vollen Gange war, entschied sich Totò in einer Nacht-und-Nebel-Aktion nach Japan zu Júbilo Iwata zu wechseln, die ihn mit einem exklusiven Vertrag lockten. Der Palermitaner wurde somit der erste italienische Fußballspieler, der in der japanischen Liga spielte. Die Japaner lagen ihm zu Füßen. Sie stellten ihm einen Dolmetscher, einen persönlichen Fahrer und eine Luxuswohnung zur Verfügung. 1997 gewann er mit seinem Team die Japan League, erlitt jedoch eine schwere Verletzung, die ihn endgültig von den Spielfeldern fernhielt, bis er 1999 offiziell zurücktrat. Mit Júbilo Iwata erzielte er insgesamt 56 Tore in 78 Spielen. Totò erinnerte sich an seine japanische Erfahrung: „Als ich dort ankam, spürte ich eine ansteckende Begeisterung. Für sie war Schillaci von der Weltmeisterschaft nie verschwunden, und ich zeigte mit meinen Toren, wie stark die Verbindung war.“
Nachdem seine aktive Fußballkarriere vorbei war, blieb der Sympathieträger in der Öffentlichkeit präsent und tritt bis heute gelegentlich in Reality-Shows und Spielfilmen im italienischen Fernsehen auf. Sogar als Politiker hatte er sich ran gewagt. Bei den Kommunalwahlen 2001 kandidierte er als Stadtrat seiner Stadt und wurde mit etwa 2.000 Stimmen gewählt. Er trat jedoch nach zwei Jahren zurück, da er laut seiner Aussage „nicht an das politische Geschäft gewöhnt“ sei.
Seit 2000 betreibt er in Palermo das Sportzentrum für Jugendliche Louis Ribolla, wo auch der Sohn seiner Schwester ausgebildet wurde. Es handelt sich hierbei um nichts Geringeres als unseren Francesco Zorro Di Mariano, der seit 2022 beim den Rosanero als Mittelfeldspieler unter Vertrag steht.
In der Saison 2017/18 war Schillaci außerdem als technischer Direktor von Asante beteiligt, einem palermitanischen Amateurverein, der ausschließlich aus Migrantenathleten besteht.
In seiner italienischen Profikarriere absolvierte er in 120 Spielen lediglich 37 Tore in der Serie A und 38 Tore in 105 Spielen in der Serie B. Ein Spieler mit solchen Leistungsdaten bleibt üblicherweise nicht unbedingt in den Köpfen der Fans verankert. Doch bei ihm ist es anders. Der Stern von Palermo offenbarte sich in den magischen Nächten des Sommers 1990, als das Heimatland im Fußballfieber schwelgte. Seine Tore waren wie Musik in den Ohren der Fans und seine Jubelgesten eine Ode an die Leidenschaft für das Spiel. So bleibt er nicht nur in den Herzen der Fans, sondern in der ganzen italienischen Fußballnation unvergessen.