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Eine Wanderung zur Spitze des Monte Pellegrino

David Von David
21. Juni 2025
in On Tour
Der beste Blog über den FC Palermo: Pasta Rosanero

In Palermo glaubt man an vieles: Panelle, Granita und den Aufstieg in die Serie A. Vor allem aber an eine ganz bestimmte Frau: Santa Rosalia. Ihre Spuren findet man überall – auf Windschutzscheiben, an Hauswänden, sogar im Spielertunnel des Renzo Barbera. Über allem thront ihr Berg, der Monte Pellegrino. Goethe erklärte ihn einst zum „schönsten Vorgebirge der Welt“. Seit langem will ich ihn erklimmen. Heute ist es soweit.

„Irgendwann gehe ich mal da hoch“, dachte ich mir am Abend des 27. November 2022. Heimspiel gegen Venedig, Stadio Renzo Barbera. Die Sitzplätze: kein Zufall. Schon beim Ticketkauf akribisch geplant wie ein Raubüberfall. Ich wollte nicht nur das Spiel sehen, sondern auch den Monte Pellegrino im Blick haben – dieser Berg, der aussieht, als hätte man das Stadion aus ihm herausgefräst. Hat man natürlich nicht. Aber von hier aus fühlt es sich so an. Bis man sich wirklich mal auf den Weg dorthin macht und merkt: Da liegt noch ein ordentlicher Marsch dazwischen. Aus irgendwann wurde schließlich der 12. April 2025. Zweieinhalb Jahre später also. Palermo bleibt eben ein Langzeitprojekt.

Giovanna ist skeptisch

„Ich werde morgen zur Spitze des Monte Pellegrino wandern“, kündige ich stolz bei meiner Ankunft an. Meine Gastgeberin Giovanna schaut mich an. Ihre Freundin auch. Synchrones Heruntermustern. Blick auf meine Beine. Blick auf mein Schuhwerk. Es fühlt sich fast ein bisschen erniedrigend an. Das Urteil lautet: „Mit diesen Latschen?! Viel zu weit!“

Ich erkläre umgehend meinen Plan: E-Scooter bis zum Bergfuß, den Rest dann zu Fuß. Turnschuhe habe ich natürlich auch dabei. Sie nicken ein wenig – halb erleichtert, halb irritiert. Vielleicht auch einfach nur von mir insgesamt. Ich kann es ihnen jedenfalls nicht verdenken.

Der Monte Pellegrino – und vor allem Santa Rosalia – ist hier jedenfalls kein Gag. Die Kathedrale, Figuren überall, Windschutzscheibenaufkleber. Im Spielertunnel des Renzo Barbera gibt es sogar ein ziemlich cooles Mural von ihr – gemalt von niemand Geringerem als TvBoy. Viele Spieler berühren das Bild vor dem Spiel, bitten um Schutz, danken danach – Sieg oder Niederlage, egal. Eine Mischung aus Spiritualität und Sportsgeist.

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Wie kommt man auf den Monte Pellegrino?

Der Startpunkt für Fußgänger ist die Scala Vecchia. Von dort aus beginnt der Wanderweg, über den man nach ganz oben zum Santuario di Santa Rosalia gelangt. Wer noch weitergehen möchte, kann den Pfad noch weiter bis zum Belvedere di Monte Pellegrino fortsetzen. Das Prinzip ist denkbar einfach: Man startet unten und läuft dann einfach den Weg nach oben – und hinterher dieselbe Strecke wieder zurück. Klingt banal, ist aber genau so. Der Weg selbst ist relativ steil, serpentinenartig und kreuzt dabei immer wieder die Via Bonanno Pietro, über die man den Monte Pellegrino auch per Bus (Linie 812), Auto oder Motorroller erreichen kann. 

Der Aufstieg beginnt – das Wetter stimmt

Nach einer ungewohnt holprigen Fahrt mit dem E-Scooter starte ich gegen 9:30 Uhr am Fuß des Berges. Das Wetter? Traumhaft. Nicht zu heiß, nicht zu kalt. Aber besser noch: Ich sehe keine Menschenseele – abgesehen von ein paar Soldaten aus der nahegelegenen Kaserne, die für ihren Frühsport die gleiche Idee hatten. Ist das ein gutes Zeichen? Keine Ahnung. Aber ich fühle mich – mal wieder – ziemlich cool und tue so, als wüsste ich genau, was hier abgeht. Vor allem beim Vorbeiziehen von Bussen mit Menschen, die lieber transportiert als transzendiert werden wollen. Goethe wäre stolz. Hoffe ich zumindest. Ob ihm damals auch noch die Panelle vom Vorabend im Magen lagen?

Einziger Fail bislang: mein Sonnencreme-Management. Ergebnis: Palermo-Hände – sonnenverbrannte Handrücken bei ansonsten bleicher Haut. Kleiner Spoiler: Das hielt relativ lange an und sah ziemlich bescheuert aus.

Möchtegern-Pilger mit heiligem Ernst

Der Weg nach oben ist majestätisch. Ich bleibe ständig stehen – jede Kurve bietet die noch bessere Monte-Pellegrino-Aussicht und damit eine noch bessere Gelegenheit für ein noch besseres Foto. Endlich darf ich mal eines dieser Fotos mit Blick über Stadt und Hafen selbst machen. Ein bisschen fühle ich mich wie ein Profifotograf, nur dass ich keinen Plan habe, was ich da tue. Egal.

Da hinten am Horizont: das berüchtigte ZEN-Viertel. Eines Tages gehe ich auch da noch hin. Vielleicht als Mäuschen. Oder als sehr schneller Läufer. Aber das wird ein eigenes Projekt.

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Irgendwann ist man dann jedenfalls oben. Endlich. Vor einem liegt das Santuario di Santa Rosalia – der Moment, auf den alles hinauslief. Ich denke nur: Schnell rein, bevor die alten Männer in ihren bunten Radlerhosen kommen und mir jedes Foto ruinieren.

Ich habe Glück. Für ein paar Minuten bin ich fast alleine in der Höhle. Absolute Stille. Was für ein Ort, was für ein Moment – trotz der Gartenstühle. Euer Ernst?

Ich sehe ein paar Menschen, die sichtlich ergriffen sind. Manche sitzen einfach nur da, andere stehen schweigend oder auch weinend vor der Gedenkstelle. Dort liegt alles Mögliche: Fotos, Motorradhelme, Autoschlüssel, Kinderspielzeug, Schnuller – sogar eine Diplomarbeit. Nichts davon ist zufällig hier. Alles hat Gewicht. Ich frage mich, was wohl die einzelnen Geschichten dahinter sind. Wer hat diesen Spielzeug-Hulk hier hingelegt – und warum? Wem gehörte dieser Helm? Welcher Mensch hat in diese Diplomarbeit so viel Hoffnung oder Dank gelegt, dass sie nun hier oben zwischen Kerzen und Rosen liegt? Für ein paar Minuten ist die Welt klein, aber bedeutungsvoll.

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Exkurs: Wer war Santa Rosalia?

Doch warum legen die Menschen hier all diese Gegenstände ab? Ein Blick ins Netz verschafft Klarheit: Rosalia, Tochter eines normannischen Grafen, wurde am sizilianischen Hof groß. Früh Gott geweiht, später – nach politischen Intrigen und dem Tod ihres Vaters – zog sie sich auf den Monte Pellegrino zurück. Sechs Jahre Einsamkeit in einer Höhle. 1166 starb sie dort. Heute ist sie Stadtpatronin Palermos, dargestellt mit offenen Haaren, Rosenkranz, Kreuz und Totenschädel – und mal ehrlich: Letzteres ist schon ziemlich bad-ass. Viele Pilger bringen persönliche Gegenstände mit hierher – als Dank, als Bitte oder in stiller Erinnerung. Zwar erinnert hier oben alles an sie, doch ihre Ganzkörperreliquie liegt nicht im Heiligtum auf dem Berg, sondern in der Kathedrale von Palermo.

Und ich? Mit Gott habe ich es nicht so. Aber darum geht es heute nicht. Also schicke auch ich ein paar ernst gemeinte Schutzbitten raus – für mich und all jene, die mir in diesem Moment in den Sinn kommen.

Nach einer letzten ausgiebigen Runde in der Höhle und einem Eintrag ins Gästebuch schlage ich dann noch im Souvenirladen zu: Ein kleiner Santa-Rosalia-Windschutzscheibenaufkleber muss mit. Mal sehen, ob ich den wirklich auf meinem Auto aufbringen werde, oder ob er sich einen lebenslangen Platz in irgendeiner Schublade sichert.

Wieder draußen, gönne ich mir zur Vorbereitung auf den Rückweg noch ein paar Nüsse und etwas Obst. Sogar ein Rest Wasser ist noch in meiner Trinkflasche – Jackpot! Die Bar gegenüber würde mir für exakt dasselbe vermutlich 20 Euro abknöpfen. Plus eine herablassende Augenrolle gratis obendrauf. Aber nicht mit mir. Ich muss nicht mal auf dein Klo, mein Freund – denke ich, während ich mir mit dem Inhaber ein unerwartet langes Blickduell liefere – ein stummes Kräftemessen, das mehr sagt als Worte je könnten.

Rückweg zwischen Stickern, Ziegen und Zornnattern

Danach folgt der Abstieg – wieder lang, aber machbar. Der Weg zieht sich, die Waden melden sich, doch die Aussicht und die kleinen Begegnungen machen alles wett. So treffe ich auf ein paar entspannte Ziegen und mustere unterwegs sämtliche Sticker. Zwischen all den bunten Aufklebern prangt übrigens auch ein Hansa-Rostock-Emblem – eine stille Botschaft des Schicksals?

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Ein paar Meter weiter: eine Zornnatter. Vor zwei Jahren fand ich in Kalabrien – aus sicherer Entfernung – heraus, warum sie so heißt. Sie schlängelt sich nur einen Meter entfernt durchs Gebüsch, völlig desinteressiert an mir. Keine Bedrohung, nur ein weiteres Zeichen dafür, dass der Berg lebt – und feste Schuhe meistens eine gute Idee sind.

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Im Ohr: Pink Moon von Nick Drake. Was für ein Album. Was für ein Künstler. Diese fragile Schönheit, diese leise Tiefe – alles entstanden in seinen frühen Zwanzigern. Man kann es beim Hören eigentlich kaum glauben. Rest in Peace, mein viel zu früh verstorbener Freund.

Wie aus dem Nichts denke ich an meinen noblen Nachbarn, der zu Hause vermutlich genau in diesem Moment wieder seinen ganz eigenen Soundtrack hört: viel zu laut, Hauptsache Bass. Manchmal glaube ich, er sitzt einfach nur regungslos neben seiner Bluetooth-Box, aus der nichts als Basstöne erklingen. Würde er nur ein einziges Mal Nick Drake laufen lassen – nur ein einziges Mal – ich würde ihm danach alles verzeihen. Sogar seine bescheuerten Malermützchen, die er immer trägt. An ihm wirkt es wie ein Verbrechen, mit dem er zugleich den guten Ruf des Malerhandwerks mit Füßen tritt. Doch ich schweife ab.

Die Zivilisation rückt näher

Aber dann: Es wird voller. Menschen, E-Bikes, angestrengte Gesichter. Ich bin plötzlich das Hindernis. Als dann noch vier oberkörperfreie Amerikaner (oder Kanadier?) an mir vorbeilaufen – Gesprächsthema: Trump, Jobs und Zölle – ist mein Pilgerflow endgültig im Eimer. Bestimmt haben sie in irgendeiner Netflix-Serie gesehen, dass man hier unbedingt mal oben ohne rumlaufen muss. Wenn diese vier Typen wirklich halbnackt in die Höhle von Rosalia gehen, hoffe ich jedenfalls auf einen göttlichen Nackenklatscher – mindestens. 

Unten angekommen: geschafft. Mein Nano-Jakobsweg ist abgeschlossen. Ich google wie immer ewig nach einer geöffneten Trattoria für meinen Pranzo, werde von Pino abgewiesen, lande woanders – aber dort ist es top. Zwischen den Gängen schicke ich Giovanna noch ein paar Beweisfotos. Vermutlich glaubt sie es mir immer noch nicht.

Zum Abschluss dann noch ein kurzer Halt am Fanshop im Stadio Renzo Barbera. Eine reduzierte Laufhose lacht mich an, der Verkäufer umgarnt mich wie eine sizilianische Nonna an Pasqua. Ich muss ihn bremsen. Kein Platz im Handgepäck. Vor allem aber keine Lust auf seine Provisionsspielchen durch den Vorhang der Umkleide. Wieder draußen begegne ich noch einer der Stadionkatzen. Sie streicht mir vor die Linse – und ziert jetzt mein Abschiedsfoto.

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Zurück in der Altstadt, hole ich mir natürlich noch ein (leider miserables) Panelle-Brötchen – irgendwo in der Nähe der Porta Nuova. Während ich anstehe, denke ich an die vollgestopfte Via Maqueda, an die dort ausgestellten Musterteller mit lauwarmem Essen und die Pferdekutschen-Tierquälerei. Ein Glück, dass ich dort heute nicht ein einziges Mal durchmusste.

Dann aber der absolute Dämpfer: Zwei Panelle-Scheiben, zwei Kroketten – das war’s. Mehr lag da nicht auf dem Panino. Der Typ hinterm Tresen tut auch noch so, als wäre das völlig normal, schaut mich an, kassiert, fertig. Kein Kommentar, kein Augenzwinkern. Einfach durchgezogen. Ich hätte ihm das Ding eigentlich direkt an seinen Kopf werfen sollen. Ob der Anfänger jemals auf dem Monte Pellegrino war? Ich bezweifle es und ziehe siegessicher ab.

Zurück in meiner Unterkunft haue ich mich erschöpft aufs Ohr. Kurz bevor ich einschlafe, werfe ich noch einen letzten Blick auf den Fernseher: eine italienische Quizshow, ein paar alte Männer, dazwischen eine extrem knapp bekleidete junge Frau. Ich schmunzle und denke: italienisches Fernsehen in a nutshell. Licht aus.

Fazit: Rosalia macht einen guten Job

Santa Rosalia, ich danke dir. Für den Tag, für den Weg, für die Ruhe, für die Sonnenbrandhände. Und vor allem: für dein Schaffen. Palermo ist ein bisschen laut, ein bisschen chaotisch – aber du hast die Sache offensichtlich im Griff. Und nur als kleine Vorwarnung: Es könnte sein, dass Ski Aggu demnächst bei dir aufschlägt. Lass dich von der Brille nicht täuschen – der Dude ist in Ordnung!

Tags: BergGoetheHöhleMonte PellegrinoPalermo-HändePanellePilgertourRosaliaSanta RosaliaSantuario di Santa RosaliaSki AgguStadio Renzo BarberaTvBoyWanderungZEN
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David

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David ist Gründer und Redakteur bei Pasta Rosanero

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